Von den Halbgöttern in Schwarz
Der Architekt ist wieder in den Charts: Er hat die Götter in Weiß von Platz zwei verdrängt und zählt zu den Berufen, die man heute als Akademiker gern anstreben möchte. Der Halbgott in Schwarz, der Architekt, kommt meist in Schwarz gekleidet daher und ist unter den kreativen Menschen sozusagen der Schwiegermuttertyp. Er spielt in Filmen wieder denjenigen, der im Cabrio vorfährt, sämtliche Probleme spielend meistert, von einer leichten Erotik des Erfolges umkränzt. Wenn es eine Frau ist, dann hat sie etwas Verwerfliches an sich und bringt Unternehmer, Natursteinhersteller und andere an den Rand des Ruins.
Also ein ziemlich falsches Bild von dem, was er in Wirklichkeit ist: Er steht nämlich spät auf, aber er arbeitet lang. Ich weiß, wovon ich rede: Ich habe an über 100 Wettbewerben teilgenommen und nur einen Teil davon gewonnen, der Rest war Lebenskraft für die Schublade. Wo andere längst einen Auftrag haben, da ist der Architekt noch gar nicht sicher: Ich habe zum Beispiel noch einen Auftrag ausstehen aus einem Wettbewerb aus dem Jahre 1971. Er ist immer noch nicht entschieden, wer weiß, ob das jemals kommt - das muß man sich einmal vorstellen, was man da für einen langen Atem braucht als Architekt und welche Begeisterung man an den Tag legen muß, um an diesen Dingen zu handeln, sie weiter zu verfolgen und sie zu perfektionieren. Mit Geldverdienen hat das alles gar nichts mehr zu tun. Und wenn die Architekten für Autos etwas gehobenerer Bauart bekannt sind, so ist das sicher ihr einziges Vergnügen: Dahinter steckt nicht das große Geld.
Als Architekt und als Präsident meines Verbandes weiß ich, wieviel Fleiß wie wenig Einkommen entgegensteht. Hinter diesem Fleiß steht ein ganzheitliches Empfinden eines sehr schönen, kreativen Berufes. Aber das ganzheitliche Empfinden nicht nur für den Beruf an sich oder für sich selber, sondern in der Verantwortung für eine Gesellschaft und eine Umwelt, die man vor dem Schlimmsten bewahren möchte. Und wenn der Architekt gelegentlich seine Nase in Dinge steckt, die ihn eigentlich nichts angehen, dann lassen Sie ihm die Nase! Er sollte eine Nase so lang wie Pinocchio haben, um sie tief in alle Mißstände hineinstecken zu können, und ich hoffe, er zieht sie unbeschädigt heraus. |